Israel: Führender palästinensischer Abgeordneter und Menschenrechtsaktivist weiter im Gefängnis |
In der Nacht zum 17. März hat die israelische Armee Hussam Khader in seiner Wohnung im Flüchtlingslager Balata bei Nablus im Westjordanland verhaftet. Nach Marwan Barghouti ist er der zweite Abgeordnete des palästinensischen Parlaments, der von den israelischen Besatzungstruppen festgenommen wurde. Obwohl er als Parlamentarier eigentlich Immunität genießt, sitzt der Menschenrechtsaktivist bis heute in israelischer Haft. Inzwischen gibt es eine internationale Kampagne zur Freilassung von Hussam Khader. Der Sprecher der palästinensischen Parlaments, Ahmed Qurie, bittet Abgeordnete in aller Welt, sich bei den israelischen Behörden für den verhafteten Politiker einzusetzen |
Samstag, 17. Mai 2003
Parlamentarier in Haft
Mittwoch, 2. April 2003
PROZESS GEGEN PALÄSTINENSISCHEN PARLAMENTARIER MARWAN BARGHOUTI BEGINNT AM 6. APRIL
(Pressemitteilung)
Am 6. April 2003 beginnt im District Court in Tel Aviv der Prozeß gegen den palästinensischen
Abgeordneten Marwan Barghouti. Zahlreiche Delegierte französischer, italienischer und deutscher Anwaltsorganisationen, des Europäischen Parlaments und von NGO werden als Beobachter nach Palästina reisen.
Vom 6. April bis voraussichtlich zum 6. Mai wird über die Anklage verhandelt, Barghouti sei
an der Planung terroristischer Akte beteiligt gewesen. Neben der Zurückweisung dieser Beschuldigung
wird die Verteidigung insbesondere auf die Verstöße gegen internationales Recht im Umgang mit Gefangenen verweisen.
Der 1958 in Ramallah geborene Marwan Barghouti saß von 1978 bis 1986 wegen Widerstands gegen die Besatzungsmacht in israelischen Gefängnissen, danach wurde er bis 1994 ins Exil verbannt. Nach der Rückkehr lehrte er Internationale Beziehungen an der Universität Jerusalem.
Er ist Vater von vier Kindern. Als Generalsekretär der Fateh Bewegung im Westjordanland und gewählter Abgeordneter des palästinensischen Parlaments gilt er als einer der Protagonisten einer politischen Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts, weshalb er stets ein angesehener Gesprächspartner gemäßigter israelischer Politiker und europäischer Parlamentarier war.
Barghouti ist am 15. April 2002 in Ramallah festgenommen und in ein israelisches Haftzentrum gebracht worden. Seither wurde er in verschiedenen israelischen Gefängnissen in Einzelhaft gehalten und gefoltert. Eine faire Prozessführung wird ihm verweigert.
Gegenwärtig sieht er dem Beginn der Gerichtsverhandlung in einer dunklen, feuchten und schmutzigen
Zelle entgegen, die er nur für eine Stunde am Tag verlassen darf. Sein Gesundheitszustand ist bedenklich, ärztliche Behandlung wurde ihm verweigert.
Als gewähltes Parlamentsmitglied sollte Barghouti in Übereinstimmung mit den Oslo- Abkommen parlamentarische Immunität genießen. Schon seine Verschleppung aus den palästinensischen Gebieten in ein Haftzentrum in "Israel" war eindeutig eine Verletzung der Vierten
Genfer Konvention, die solche Überführungen durch Besatzungsmächte ausdrücklich verbietet.
- Es ist darauf hinzuweisen, daß am 17. März 2003 eine weiteres Mitglied des palästinensischen
Parlaments in israelische Haft verschleppt wurde, der Abgeordnete Hussam Khader, ebenfalls ein bekannter Protagonist des Friedensprozesses.
Die Verteidiger Barghoutis werfen der israelischen Regierung schwerwiegender Verletzungen
der Vierten Genfer Konvention zum Schutz von Zivilisten in Kriegszeiten und der internationalen
Konventionen für Menschenrechte vor - so u.a. der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte,
des Übereinkommens gegen Folter, der Konvention zum Schutz der Menschenrechte
und Grundfreiheiten, des Pakts über bürgerliche und politische Rechte und fast aller
UNO-Resolutionen.
Da der Fall Marwan Barghouti für die Lage von Tausenden Palästinensern in israelischen Gefängnissen und Haftzentren exemplarisch ist, folgten bereits im August 2002 150 Rechtsanwälte
aus neun Ländern dem Ruf eines Internationalen Komitees (www.freebareghouti.org), in Kairo über die Verteidigung Marwan Barghoutis und von 8.000 anderen von der israelischen Besatzungsmacht widerrechtlich inhaftierten Palästinensern zu beraten.
Ein Internationaler Beobachterausschuss bildete sich, dem bekannte Persönlichkeiten angehören, so der frühere Präsident Südafrikas, Nelson Mandela, der amerikanische Intellektuelle Noam Chomsky, der portugiesische Nobelpreisträger Jose Sammoga, der palästinensische Dichter Mahmoud Darwish,
der palästinensisch-amerikanische Intellektuelle Edward Said und das Mitglied des Palästinensischen
Parlaments Hanan Ashrawi.
Eine Gruppe deutscher Organisationen und Personen (http://freebarghouti.de) schließt sich
den Forderungen des Internationalen Komitees für die Freilassung Marwan Barghoutis an:
- unverzügliche Beendigung der Menschenrechtsverletzungen durch die israelische Armee,
- Freilassung Marwan Barghoutis und aller anderen palästinensischen politischen Gefangenen,
- Einstellung der Verhaftungen in den besetzten palästinensischen Gebieten
Sie wendet sich an die Journalistinnen und Journalisten in Deutschland, die Mauer des
Schweigens über das Schicksal der palästinensischen politischen Gefangenen zu durchbrechen.
Sie wendet sich an Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Deutschland und in der Europäischen
Union, sich für ihren Kollegen Marwan Barghouti einzusetzen und vom Staat Israel die Einhaltung der parlamentarischen Immunität, der Menschenrechte und des Völkerrechts
zu fordern.
01.04.2003
Herausgeber der Pressemitteilung:
Initiative zur Unterstützung des Internationalen Komitees für die Freilassung
Marwan Barghoutis und aller palästinensischen politischen Gefangenen
Samstag, 6. April 2002
Palästinenser in Deutschland - "Da kommt etwas hoch"
04.04.2002
"Da kommt etwas hoch"
Unter den 200.000 Palästinensern in Deutschland gärt es. Viele von ihnen eint die Wut auf Israel, Lehrer fürchten Zusammenstöße an den Schulen. Palästinensische Organisationen in Deutschland rufen ihre Landsleute zur Ruhe auf.
Berlin – Vergeblich versucht Samira Amin von einem Telefon-Café aus, wo zu günstigen Preisen ins Ausland telefoniert werden kann, ihre Verwandten in Ramallah zu erreichen. "Ich probiere es schon seit Tagen", sagt sie, "doch ich bekomme einfach keine Verbindung." Wie der 53-Jährigen geht es vielen Palästinensern, die vergeblich versuchen, ihre engsten Familienangehörigen in den Krisengebieten Palästinas telefonisch zu kontaktieren. "Ich habe große Angst um meine Familienmitglieder", sagt Amin, "ich möchte doch nur kurz hören und wissen, dass sie noch am Leben sind."
So wie Samira Amin geht es vielen Palästinensern in der Bundesrepublik. Auch Mustafa Shehadeh, Sprecher der deutschen Generaldelegation Palästinas in Bonn, macht sich Sorgen um seine Freunde und Familie, die sich derzeit im besetzten Betlehem befinden. "Sie haben kein Strom und kein Wasser", erzählt er, "ich weiß nicht, wie es ihnen im Moment geht."
Arabische Studenten halten zusammen
In Deutschland leben rund 200.000 Palästinenser. Viele von ihnen kamen als Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon oder Jordanien in die Bundesrepublik. Einer von ihnen ist Mohammed K. Er kam vor neun Jahren aus dem Gaza-Streifen nach Deutschland und studiert derzeit Elektrotechnik an der Technischen Universität in Berlin. "Ich habe zwar eine Heimat", sagt er, "aber ich bin staatenlos". So steht es in seinem Pass.
"Unsere Hoffnung auf einen Frieden in Palästina werden wir niemals aufgeben", sagt der 26-Jährige kämpferisch. Während er erzählt, stimmen ihm seine Kommilitonen, ein weiterer Palästinenser, ein Iraker und ein Ägypter, die mit am Tisch in der Universitätscafeteria sitzen, nickend zu. Die Stimmung ist gereizt, die Wut groß. "Alle Araber sind davon betroffen", sagt Abu-Ahmad M., "wir werden so lange kämpfen, bis wir unser Ziel erreicht haben." Das Ziel sei ein eigenständiger Staat, beteuern sie.
Doch viele Palästinenser fühlen sich von den Deutschen unverstanden. "Wir werden bei unserer Sache nicht genug unterstützt", meint etwa Walid Walid von der Vereinigten Palästinensischen Gemeinde in Berlin. Die Bundesregierung müsse sich stärker als bisher für die palästinensischen Interessen engagieren. "Wo bleibt die Solidarität mit dem palästinensischen Volk", fragt Walid. Für ihn sind die Palästinenser in allererster Linie Opfer. Es könne nicht angehen, dass sie immer wieder zu Tätern gemacht werden - und das schon seit mehr als 35 Jahren.
Gewaltaktionen in Deutschland werden abgelehnt
Die Angriffe in den vergangenen Tagen auf jüdische Bürger oder Anschläge auf jüdische Einrichtungen - wie in Frankreich oder zuletzt in Berlin - werden von palästinensischen Organisationen in Deutschland verurteilt. "Die Proteste sollten sich gegen die Politik Ariel Scharons richten und nicht gegen friedliche und unschuldige Menschen", erklärt Walid. Auch der Vorsitzende der Palästinensischen Gemeinde in Hannover, Raif Hussein, verdammt die Gewalt vonseiten in Deutschland. "Es sind unverantwortliche Taten von Leuten, auf die wir keinen Einfluss haben", sagt er. Hussein äußert die Sorge, dass durch solche Angriffe die Vorgehensweise Scharons nur noch gestärkt werde.
Krise im Nahen Osten erreicht deutsche Schulen
Auch an den Schulen wird der Nahost-Konflikt seit längerem ausgetragen. So fielen arabische Jugendliche öfters durch antiisraelische Sprüche auf, sagt Dieter Haase, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Haase ist Lehrer an einer Schule, wo Jugendliche aus rund 40 Nationen unterrichtet werden, darunter auch jüdische Russen. Die Schüler befinden sich derzeit in den Ferien. Nach der Rückkehr könnte es aber sein, "dass bei einigen Jugendlichen etwas hochkommt," befürchtet Haase.
Für kommenden Samstag rufen mehrere palästinensische Organisationen in Berlin zu einer bundesweiten Demonstration auf. Ihr Motto: "Palästina muss Leben". Die Veranstalter rechnen mit mehreren tausend Menschen. "Wir müssen vordergründig Aufklärungsarbeit leisten", sagt Hussein, "um die Menschen für unser Anliegen zu gewinnen." An seine Landsleute appelliert er, Ruhe zu bewahren.