Freitag, 1. Februar 2008

Palästinenser unter der Lupe - Familie Al-Zureiks

Kreis Offenbach will Al-Zureiks ausweisen

Seit sechs Jahren lebt die fünfköpfige palästinensische Familie Al-Zureik in Rödermark. Die drei Töchter zwischen drei und 13 Jahren turnen im Sportverein. Die Lehrerin der Ältesten erzählt, sie spreche hervorragendes Deutsch. Bei Schulfesten packe die ganze Familie mit an. Der evangelische Pfarrer berichtet, die Mutter helfe bei einer Lebensmittelausgabe für Bedürftige. Der Vater erhielt unlängst eine unbefristeter Arbeitserlaubnis, hat jetzt eine Festanstellung am Frankfurter Flughafen.

'Familie hat kein Asylrecht mehr'
Der Kreis Offenbach will die Familie jedoch abschieben. Wie die FR erfuhr, fanden sich die Namen der Familie bereits auf der Passagierliste eines Fluges nach Jordanien am Mittwoch. Kreissprecher Ralf Krambs sagte, die "AG Wohlfahrt", eine Ermittlungsgruppe von Kreis und Polizei zum Aufspüren illegaler Ausländer, habe ermittelt: Die Al-Zureiks seien Jordanier und keine staatenlose Palästinenser. Darum hätten sie widerrechtlich Asyl beantragt und unrechtmäßig Sozialhilfe erhalten.

Jetzt laufe ein Verfahren wegen Sozialhilfebetrug. Krambs: "Sie haben ihr Asylrecht schlicht und einfach verwirkt." Zudem seien Namen und Geburtsdaten falsch angegeben worden. Die AG Wohlfahrt wirft immer wieder staatenlosen Palästinensern vor, eigentlich Jordanier zu sein, spricht von über 100 Fällen im Kreis.

Der Anwalt der Familie, Reiner Thiele, widerspricht, denn Jordanien habe vielen staatenlosen Palästinensern zur Weiterreise Papiere ausgestellt. "Die Familie stammt aber aus dem West-Jordanland." Seit Anfang der Woche überschlägt sich alles: Am Dienstag durchsuchte die Polizei die Wohnung; die Familie war außer Haus. Zurück kann sie nicht: Die Polizei hat ein neues Türschloss eingebaut. Anwalt Thiele erzählt, seit Tagen erreiche er keinen zuständigen Beamten. Erst vor einer Woche habe die Ausländerbehörde ihm auf Nachfrage mitgeteilt, eine Abschiebung sei nicht geplant. Zudem hätte die Familie einen Monat vorher über die Abschiebung informiert werden müssen. "Aber in meinen Akten findet sich nichts", sagt Thiele. "Die Behörde begeht hier gravierende Rechtsverstöße." Der Kreis betont, alles laufe rechtens.

Zurzeit, so Thiele, laufe noch ein Asylfolgeantrag der Frau. Auch eine Petition an den Landtag sei abgeschickt worden. Nur die könne die Abschiebung einstweilen aufhalten. Zudem habe er einen Antrag auf "Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen" gestellt, da die Frau "wegen schlimmer Erlebnisse in der Heimat" zurzeit in einer Psychiatrie stationär behandelt werde. "Sie ist suizidgefährdet und transportunfähig." Gestern wurde Thiele dann informiert, die Behörde wolle den Antrag ablehnen und die Ausweisung vornehmen.

Ebenfalls am Dienstag nahm die Polizei in Rödermark eine für Asylfragen zuständige Kreismitarbeiterin fest, durchsuchte deren Wohnung, Arbeitsplatz und das Büro der Flüchtlingshilfe, wo sie berät. Computer und Akten wurden beschlagnahmt. Oberstaatsanwalt Alexander Stahlecker bestätigte, gegen die Frau werde wegen "Verdachts der Beihilfe zum Sozialhilfebetrug" ermittelt. Sie habe die Falschangaben der Al-Zureiks verschleiert. Thomas Moersdorf von der Flüchtlingshilfe sieht darin einen Versuch, die Unterstützer der Familie, zu denen Schüler, Kirchen und der Bürgermeister zählen, einzuschüchtern.


Entnommen der Frankfurter Rundschau Erscheinungsdatum 01.02.2008