Samstag, 19. Juni 2010

Wir versuchen es immer wieder:


Wie eine deutsche Jüdin die israelische Seeblockade durchbrechen will







Sonia Seymour Mikich: "Gerade mal 17 Tage ist es her, da gab es diesen - nach wie vor nicht untersuchten - Zwischenfall im Mittelmeer. Das israelische Militär stoppte gewaltsam eine Flotte mit Aktivisten - auch aus Deutschland - die die See-Blockade vor Gaza durchbrechen wollten. Jetzt kommen Bilder vom türkischen Fernsehen TV-net. Kurz nach dem Übergriff des israelischen Militärs. Der Passagierraum der Mavi Marmara ist ein Lazarett. Im Fußraum liegen Tote. Neun Aktivisten wurden getötet. Im Gaza leben 1,5 Millionen Menschen in einem abgeriegelten Homeland. Isabel Schayani und Nikolaus Steiner berichten über die nächsten Helfer, die übers Meer kommen werden - und es sind Juden aus Deutschland."


Kate P. Katzenstein-Leiterer
Kate P. Katzenstein-Leiterer, "Jüdische Stimme": "So wie wir davon gehört haben, waren wir entsetzt. Wir waren empört darüber, dass Israel so weit geht, sogar Tote in Kauf zu nehmen bei friedlicher Aktion. Und wir haben gesagt, nein, im Gegenteil, wir machen jetzt erst recht weiter."

Berlin: Die Jüdin Kate Leiterer sammelt Hilfsgüter für ein Schiff nach Gaza, ein jüdisches Schiff. Die "Jüdische Stimme", so heißt diese Organisation, will die Blockade brechen. Zur gleichen Zeit in der Eifel: Ihre Mitstreiterin Edith Lutz packt Spenden ein. Seit dem Übergriff haben sich Juden aus der ganzen Welt bei ihr gemeldet, aus einem Schiff sind jetzt drei geworden.


Edith Lutz, "Jüdische Stimme"
Edith Lutz, "Jüdische Stimme": "Ein Signal geht schon mal davon aus, egal, ob wir die Blockade durchbrechen oder nicht, dass man sieht, da sind Juden, die denken an die Menschen in Gaza und die zeigen anderen, vor allen Dingen Politikern, dass sie mit der Politik Israels nicht einverstanden sind."

Kate P. Katzenstein-Leiterer, "Jüdische Stimme": "Und auch zu zeigen, hier kommen Juden, die nicht mit Bomben und nicht mit Gewehren kommen. Sondern hier kommen Juden, die verstehen, dass die Menschen auf der Welt menschenwürdig leben müssen."

Auch Medikamente werden sie mitbringen. Route und Abfahrtshafen halten sie geheim. Denn genau solche Schiffe will Israel verhindern. Aber was, wenn das Militär sie auf hoher See stoppt?

Kate P. Katzenstein-Leiterer, "Jüdische Stimme": "Wir werden umdrehen, aber wir werden auch wieder zurückkommen."

Edith Lutz, "Jüdische Stimme": "Wir können es auch noch mal versuchen und noch mal versuchen. Und dann ist aber auch der Druck auf die Weltgemeinschaft auch größer."

Israels Gaza-Politik polarisiert: Am Wochenende in Köln stehen Hunderte auf der Seite der israelischen Regierung.

Sprecherin auf der Bühne: "Ich betone, der Verlust jeden Lebenslebens ist schrecklich und bedauernswert, aber ich fordere zugleich, Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln."

Reporter: "Was würden Sie von jüdischen Aktivisten halten, die mit weiteren Schiffen versuchen, die Blockade zu durchdringen?"

Mann: "So ein Blödsinn, wer braucht das?"

Reporter: "Und wie ist ihre Haltung zur Blockade gegenüber dem Gaza-Streifen?"

Frau: "Das ist in Ordnung, denn man muss ja sehen, dass Waffen und alles mögliche reingeschmuggelt werden soll, und nicht nur Hilfsgüter."

Geht es nur um Waffen oder werden 1,5 Millionen Menschen für die Raketenangriffe der Hamas bestraft?


Prof. Georg Nolte, Völkerrechtler
Prof. Georg Nolte, Völkerrechtler, HU Berlin: "Die Blockade des Gaza-Streifens, so wie sie bis jetzt durchgeführt wurde, ist meines Erachtens völkerrechtswidrig, weil sie die Zivilbevölkerung unverhältnismäßig belastet."

Vor der Blockade durften 4.000 Produkte nach Gaza eingeführt werden, bis heute sind es 114. Bislang sind Nüsse verboten, Linsen erlaubt. Schokolade geht nicht, Marmelade schon. Frisches Fleisch, DIN-A4-Papier, Spielzeug - verboten, aus Sicherheitsgründen. Heute hat Israel angekündigt, angeblich mehr Waren reinlassen zu wollen. Welche, das ist unklar. Ganz klar ist, was am dringendsten gebraucht wird, wird weiterhin verboten bleiben: Zement, Holz, Glas, Rohre, um die zerstörten Häuser wieder aufzubauen. Sofort deutliche Kritik von einer wichtigen Stimme der israelischen Bürgerrechtsbewegung.


Tamar Feldmann, „Gisha“
Tamar Feldmann, „Gisha“, israelische Bürgerrechtsorganisation: "Wir müssen den Wirtschaftskrieg beenden. Wir brauchen eine Politik, die die Rechte der Palästinenser, der Bürger von Gaza, anerkennt. Das Recht, nicht nur zu konsumieren, sondern auch etwas herzustellen und zu reisen. Israel soll den freien Verkehr von Personen und Waren gestatten, nach Gaza und von Gaza. Dazu gehören auch Baumaterialien."

Ganz gleich, wie groß der internationale Druck, die Blockade bleibt. Daran lässt die israelische Regierung keinen Zweifel. Ungewöhnlich undiplomatische Worte des schwedischen Außenministers:


Carl Bildt, schwedischer Außenminister
Carl Bildt, schwedischer Außenminister (Übersetzung MONITOR): "Diese Politik hilft der Hamas. Israel sagt ja selber, dass 80 Prozent der Waren durch die Tunnel kommen, und die Hamas betreibt diese Tunnel. Sie profitieren davon. Die Blockade nährt und stärkt die Hamas."

Vier von fünf Familien leben von Hilfslieferungen, sagt die UNO. Über 11.000 Häuser sind vom Krieg zerstört oder beschädigt, laut UN-Angaben. Das Trinkwasser ist verseucht. Der Anteil von Krankheitserregern liegt bei 16 Prozent, normal ist 1 Prozent. Und die Rolle der Europäer?


Alain Délétroz, International Crisis Group
Alain Délétroz, International Crisis Group: "Das Ergebnis ist, dass die EU zusammen mit den Vereinten Nationen, den USA und Russland diese israelische Blockade-Politik, die es seit vier Jahren gibt, überhaupt erst ermöglicht hat. Das halten wir für moralisch verwerflich, und letztlich zerstört Israel sich selbst."

In der Eifel: Die promovierte Judaistin durchbrach bereits vor zwei Jahren mit einem Schiff die Blockade und schaffte es bis nach Gaza. Die Bundesregierung, sagt sie, soll Israel härtere Bedingungen stellen.


Edith Lutz, "Jüdische Stimme"
Edith Lutz, "Jüdische Stimme": "Bevor ihr in die OECD reinkommt, bevor ihr von uns Wirtschaftshilfe bekommt, bevor ihr von uns diese immensen Waffenlieferungen bekommen, wir sehen ja, wofür ihr diese Waffen einsetzt. Wir machen uns ja mitschuldig an diesem Verbrechen."

Kate Leiterer sammelt weiter, und auch Edith Lutz bereitet sich vor. Die Passagierliste wird länger. Mitte Juli wollen sie in See stechen.

Sonia Seymour Mikich: "Die Blockade wird ein wenig gelockert. Dafür - so Israels Regierung heute - mögen die Europäer weitere Hilfsschiffe verhindern."

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