Montag, 7. Mai 2012

Brief an die Bundestags- und Landtagsabgeordnete




Ein Aufruf zur Wahrung der Menschenwürde in Palästina


Sehr geehrte Bundestagabgeordnete,
Sehr geehrte Landtagsabgeordnete,


als Julia Timoschenko und Chen Guangcheng sich dazu entschlossen haben, ihr Leben zu riskieren und lautstark ihre Stimme gegen Diskriminierung und Unrecht zu erheben, wussten sie, dass sie im Recht sind und dass sie nicht allein stehen werden. Seit mehreren Wochen befinden sich ebenfalls einige tausend palästinensische Kinder, Frauen und Männer  illegal und unbegründet in israelischen Militärgefängnissen im Hungerstreik. Dieser friedliche Protest richtet sich gegen ihre politisch motivierte Inhaftierung in Israel und die damit verbundenen völkerrechtswidrigen Haftbedingungen in einem Staat, der sich selbst gerne als Rechtsstaat und als demokratisch gibt. Sie verlangen nicht mehr als die humanitären Grundrechte von politisch Inhaftierten, die in der Menschenrechtscharta der UNO festgeschrieben werden:


• Aufhebung des Administrativhaft-Rechts (der israelischen Regelung, die dem Militär ermöglicht, PalästinenserInnen (auch Minderjährige)) ohne Haftstrafe und ohne Anklageschrift faktisch unbefristet festzuhalten


• Aufhebung der als Strafe praktizierten Einzelhaft von Gefangenen (wodurch Gefangene teilweise über mehrere Jahre in 3 qm kleinen Einzelzellen aufgehalten werden)


• Erteilung von Besuchserlaubnissen für Familienangehörige aus den besetzten Gebieten (ein Großteil der Gefangenen hat seit Jahren seine Angehörigen nicht sehen dürfen)


• Gewährung von Lern- und Bildungsmöglichkeiten (Zugang zu Büchern und Lehrmaterial)


• Einstellung der praktizierten, demütigenden Nacktkörper-Durchsuchungen und andere körperliche und psychologische Folter- und Belästigungsmethoden


Nach der Genfer Konvention wäre Israel verpflichtet, die palästinensischen Gefangenen als „Kriegsgefangene“ und nicht als Kriminelle zu behandeln, denn sie wurden in den von Israel militärisch besetzten palästinensischen Gebieten – in ihrer Heimat also – festgenommen und nach Israel verschleppt, wodurch sie keine Möglichkeit haben, ihre Angehörigen oder Verteidiger zu sehen, da diesen die Einreiseerlaubnis nach Israel nicht erteilt wird!


Laut offiziellen Statistiken saßen seit der Besetzung der Westbank und des Gaza-Streifens im Jahre 1967 insgesamt bereits etwa 600.000 PalästinenserInnen in israelischen Gefängnissen! Diese ungeheure Zahl entspricht etwa 20% der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten. Den offiziellen Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation b‘tselem nach sitzen derzeit knapp 5.000 PalästinenserInnen in israelischen Gefängnissen, und sie werden täglich mehr! Unter ihnen befinden sich mehrere gewählte Parlamentsabgeordnete. 8% der Gefangenen sind minderjährige Kinder. Jeder 10. wird nach dem israelischen „Administrativhaft-Recht“ festgehalten, - wie auch der junge Palästinenser Thaer Halahle aus Hebron, verheiratet und Vater einer kleinen Tochter. Er wurde vor 3 Jahren festgenommen und – wie viele andere auch – nie angeklagt.


Halahle befindet sich seit über 70 Tagen im Hungerstreik. Seine Gesundheitslage und die der anderen Streikenden haben sich inzwischen dramatisch verschlechtert. Er leidet teilweise unter Bewusstlosigkeit und wird zurzeit im gefesselten Zustand im Krankenhaus zwangsernährt. Seine Familie ist äußerst besorgt. Weder sie noch seine Anwälte haben Zutritt zu ihm. Als eine Art der Bestrafung für die streikenden Gefangenen hat die Gefängnisbehörde inzwischen verordnet, dass jedem streikenden Gefangenen eine tägliche Geldbuße in Höhe von 175,- Schekels (etwa 50 €) verordnet wird, die faktisch die Angehörige zu zahlen haben!


17 gewählte Parlamentsmitglieder u.a Barghouti sollten in Übereinstimmung mit den OsloAbkommen parlamentarische Immunität genießen. Schon seine Verschleppung aus den palästinensischen Gebieten in ein Haftzentrum in Israel war eindeutig eine Verletzung der Vierten Genfer Konvention, die solche Überführungen durch Besatzungsmächte ausdrücklich verbietet. 


Es ist darauf hinzuweisen, dass am 17. März 2003 eine weiteres Mitglied des palästinensischen Parlaments in israelische Haft verschleppt wurde, der Abgeordnete Hussam Khader, ebenfalls ein bekannter Protagonist des Friedensprozesses.


Auch der Sprecher des palästinensischen Parlaments Aziz Dweik wurde am 19. Januar 2012 von israelische SoldatInnen an einem Kontrollpunkt des Militärs in der Nähe von Ramallah im Westjordanland  festgenommen nahmen . Anschließend brachten sie den Abgeordneten in das Haftzentrum Ofer, wo er fünf Tage ohne Anklageerhebung festgehalten wurde. Am 24. Januar 2012 wurde Aziz Dweik einem Richter vorgeführt, der gegen den Parlamentarier eine sechsmonatige Verwaltungshaftanordnung ausstellte. Die Anordnung war von einem Militärbefehlshaber unterschrieben. Sie kann beliebig oft erneuert werden.


Nach seiner Festnahme am 19. Januar 2012 wurde gegen Aziz Dweik, Sprecher des palästinensischen Parlaments, Verwaltungshaft angeordnet. 
Diese Form der Haft ermöglicht es den israelischen Behörden, Aziz Dweik für unbegrenzte Zeit ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Gewahrsam zu halten.


Das sind nur einige Beispiele von vielen.


Es ist die moralische und menschliche Verpflichtung eines Jeden von uns in unserer zivilisierten Welt, diesen Menschen beizustehen. Wir schließen uns den vielen Millionen internationalen Stimmen an, die heute nach Freiheit und Demokratie, nicht nur in der Ukraine und in China, sondern auch in Palästina rufen. Helfen Sie mit, dass diese Menschen freigelassen werden und ihre Würde wiedererlangen können. Helfen Sie, dem Frieden im Nahen Osten ein Gesicht zu geben.





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